Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Liebe Gäste aus dem Pflege-
bereich und aus anderen Bereichen! "Altenpflege,
ein Beruf mit Zukunft", so
werben viele Altenpflegeschulen für
eine Ausbildung in einem sehr schönen
und sehr anspruchsvollen Beruf. Positiv
sind die Ziele der Ausbildung und der
Arbeit in der Altenpflege. Ich zitiere den
Deutschen Berufsverband für
Altenpflege zu dem Berufsbild Altenpfleger/Altenpflegerin:
"Ziel [...]
ist es, für die Würde, die Rechte und das Wohlbefinden
alter Menschen
einzustehen. Planung und Gestaltung aller Dienste
sollen sich
leiten lassen von folgenden Gedanken: Unterstützung
geben bei
der Gestaltung des persönlichen Lebensraumes alter
Menschen,
ihre Kompetenzen schützen und fördern; sich an ihren
individuellen
Lebensgeschichten orientieren, ihnen einen
anerkannten
Platz in der Gesellschaft sichern helfen."
(Beifall bei der SPD)
Anspruchsvoll sind die Aufgaben in der
Altenpflege, und sie werden immer
anspruchsvoller. Die Unterstützung
bei der lehrgestaltung umfaßt nicht nur
die Betreuung und Beratung, Ermutigung und
Begleitung alter Menschen,
sondern auch die Mitwirkung bei Prävention
und Rehabilitation, Pflege-
planung und pflegerische Versorgung, Reflexion
der eigenen beruflichen
Arbeit - gerade angesichts der Belastungen,
die in diesem Beruf zu be-
wältigen sind - , Anleitungsaufgaben
und Zusammenarbeit im multiprofes-
sionellen Team.
Trotz guter Ziele und anspruchsvoller Aufgaben
- wir haben es gehört -
ist die Verweildauer im Beruf gering:
Ausbildung, besonders die Diskrepanz
zwischen Theorie und Praxis, Arbeitsbedingungen,
physische und psychische
Belastungen und die mangelnde Aufstiegschancen
sind häufig genannte Gründe
für Unzufriedenheit und Flucht aus
dem Beruf.
Die Bevölkerungsentwicklung in
unserem Land ist bekannt. Ausführlich haben
wir die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt,
auf die sozialen Sicherungs-
systeme und auf die sozialen Dienste in
der Enquete-Kommission
"Demographischer Wandel" diskutiert. Der
Bedarf
an qualifizierten
Pflegeleistungen wird - wir
haben es heute mehrfach gehört - steigen.
Wir leisten uns 17 Ausbildungsregelungen
in 16 Bundesländern, und das in
einem Europa, in dem immer mehr Mobilität
und Zusammenarbeit gefordert
ist. Das müssen wir ändern; wir
sind auf dem Weg dazu.
(Beifall bei der SPD und dem Bündnis 90/Die Grünen)
Dieser Weg ist heute aufgezeigt worden; ich
will die Vorgeschichte jetzt gar
nicht wiederholen. Er war gekennzeichnet
von Hindernissen und Hürden. Ich
hoffe im Interesse der Pflege bedürftigen
und der Pflegenden, daß dieser
Weg jetzt zu einem gute Ende führt
und daß das Ziel in nicht allzu ferner
Zeit erreicht wird,
Der vorliegende Gesetzentwurf der Bundesregierung
hat Vorläufer aus
Bundestag und Bundesrat. Eine Anhörung
zum damaligen Gesetzentwurf im
November 1996 hat dringenden Handlungsbedarf
bestätigt. Jetzt haben wir
die Chance, nachdem Kabinett und Bundesrat
den aktuellen Gesetzentwurf
begutachtet und Stellung genommen haben,
diesen Entwurf im Ausschuß und
mit den Verbänden ausführlich
zu diskutieren und, wenn nötig, Änderungs-
vorschläge einzubringen. Die SPD-Fraktion
wird eine Anhörung zu diesem
Gesetzentwurf beantragen.
"Qualität erfordert Qualifikation",
fordert der Bundesausschuß der
Lehrerinnen und Lehrer für Pflegeberufe.
Ich freue mich über das
Engagement der Kolleginnen und Kollegen
für hohe Standards in der Aus-
bildung für die Pflegeberufe.
(Beifall bei der SPD und dem Bündnis 90/Die Grünen)
Ebenso freue ich mich über die ausführlichen
Stellungnahmen zum Beispiel
meiner Gewerkschaft, der ÖTV, oder
der Arbeiterwohlfahrt und vieler
anderer Verbände und Organisationen.
Ich will nur einige Aspekte aus den genannten
Schreiben und Stellung-
nahmen anführen. Der erste Punkt: Eine
einheitliche dreijährige Aus-
bildungsdauer mit bundeseinheitlichen Standards
wird allgemein begrüßt.
Ebenso wird eine Ausbildungsvergütung,
die sich an der Vergütung in der
Krankenpflege orientiert, von vielen als
Fortschritt betrachtet. Aller-
dings muß die Finanzierung dieser
Ausbildungsvergütung möglichst
gerecht und einfach sein, und ihre Rechtsmäßigkeit
muß abgeklärt sein.
Auch dazu ist schon einiges ausgeführt
worden.
Der zweite Punkt: Eine Altenpflegehelferausbildung
ist nach wie vor
sehr umstritten. Aus altenpolitischer wie
aus bildungs- und frauen-
politischer Sicht ist eine Helferausbildung
abzulehnen. Das Argument, ein
Jahr Ausbildung ist besser als keine Ausbildung,
ist zwar nicht von der
Hand zu weisen, aber es entkräftet
nicht die Tatsache, daß die Chancen auf
dem Arbeitsmarkt schlecht sind als die von
Fachkräften, daß die geringere
Qualifikation eine geringere Bezahlung zur
Folge hat und daß oft ohne
rechtliche Grundlagen Tätigkeiten ausgeübt
werden müssen für die keine
Qualifikation erworben wurde. Das, denke
ich, ist der entscheidende Punkt.
(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten des
Bündnisses 90/Die Grünen)
Der vorliegende Gesetzentwurf der Bundesregierung
überläßt die Ent-
scheidung über die Helferausbildung
den Ländern. Damit können bundesein-
heitliche Standards für den Beruf Altenpflegehelferin/Altenpflegehelfer
kaum erreicht werden. Ich denke aber, es
wäre sinnvoll, diese Ausbildung
auf eine gewisse Zeit zu begrenzen und dann
auf wirklich qualifizierte
Fachkräfte zu setzen.
Der dritte Punkt: Sehr großen Diskussionsbedarf
haben die im Gesetz-
entwurf vorgesehenen Verkürzungsmöglichkeiten
ausgelöst. Besonders die
Tatsache, daß die Führung eines
Familienhaushaltes unter bestimmten
Bedingungen zu einer Verkürzung
der Ausbildung führen sollte, hat
Empörung bei den Fachverbänden
hervorgerufen, da die Qualität der Aus-
bildung dadurch in Frage gestellt wird.
Der Bundesrat hat diese Möglich-
keit der Verkürzung gestrichen, und
die Bundesregierung hat der Streich-
ung zugestimmt. Insofern ist das vom Tisch.
Über die Verkürzung bei Umschulungsmaßnahmen
ist schon gesprochen
worden. Ich glaube, darauf brauche nicht
noch einmal einzugehen. Ich denke,
auch hier wäre es sinnvoll, das auf
einen bestimmten Zeitraum, zum Beispiel
auf fünf Jahre, zu begrenzen.
Der vierte Punkt: Bei der Fehlzeitenregelung,
der Dauer der Probezeit und
der Regelung des Ausbildungsverhältnisses
sind im Gesetzentwurf zum Teil
ungünstigere Rahmenbedingungen als
im Berufsbildungs- und im Kranken-
pflegegesetz enthalten. Dies sollte im Interesse
der Schülerinnen und
Schüler - diese sind meiner Erfahrung
nach zwischen 18 und 50 Jahre alt,
es sind also Erwachsene - nochmals überprüft
werden. Ich denke, hier kann
man noch bessere Regelungen finden. In der
Anhörung werden wir sicher
darauf eingehen.
Der fünfte Punkt: Bei der Finanzierung
der Ausbildung sind die Kosten für
die Ausbildungstätten mit Betriebs-
und Verwaltungsaufwand wie bisher von
den Ländern aufzubringen. Über
die Finanzierung der Ausbildungsver-
gütungen ist bereits gesprochen worden.
Die Bundesregierung hat einen
anderen Vorschlag gemacht als der Bundesrat.
Ich denke, es sollte eine
möglichst eifache und gerechte Finanzierung
gefunden werden. Das Umlage-
verfahren - das wissen wir alle - ist eigentlich
die gerechteste Lösung, und
zwar deswegen, weil es alle Institutionen
einbezieht und mehr Ausbildungs-
plätze schafft, indem es die Betriebe,
die nicht ausbilden, zur Finanzierung
heranzieht und damit Anreize zur Ausbildung
schafft.
Der sechste Punkt: In § 29 des vorliegenden
Gesetzes wird ausdrücklich
betont, daß das Berufsbildungsgesetz
für die Berufe in der Altenpflege und
in der Altenpflegehilfe keine Anwendung
findet. Dem Vorschlag des Bundes-
rates, die in Hamburg durchgeführte
Regelung der Ausbildung nach dem
BBiG bis zum 31. Juli 2006 zu belassen,
hat die Bundesregierung zugestimmt.
Ich möchte für die SPD-Fraktion
und die Mitglieder im Ausschuß für
Familie, Senioren, Frauen und Jugend sagen,
daß wir bei allen Beratungen
betont haben, daß die Standards
des Berufsbildungsgesetztes auch für die
Pflegeberufe Maßstab sein müssen.
Das gilt insbesondere für den Status von
Auszubildenden, für die Ausbildungs-
und Rahmenpläne und für die
Qualifikation der Lehr- und Fachkräfte
für die theoretische und praktische
Ausbildung.
(Beifall bei
der SPD und dem Bündnis 90/Die Grünen sowie
bei Abgeordneten
der F.D.P.)
Qualität erfordert Qualifikation, dieser
Satz gilt für die Pflegekräfte
ebenso wie für die Lehrkräfte
und die Ausbilderinnen und Ausbilder.
Langfristig ist natürlich die integrierte
Ausbildung sinnvoll. Ich kürze
diesen Punkt jetzt einfach ab, weil er schon
mehrfach erwähnt worden ist.
Ich freue mich, daß auch die F.D.P.-Fraktion
diese Art der Ausbildung
für sinnvoll hält. Ich glaube
glaube wirklich, daß wir gemeinsam eine gute
Lösung erzielen können.
"Älter werden ist die einzige Chance,
länger zu leben." Dies wurde mir im
KDA, Kuratorium Deutsche Altershilfe, einmal
gesagt. Nutzen wir diese
Chance und bereiten wir uns und andere auf
das Älterwerden vor!
Die Pflegebedürftigen erwarten von uns
qualifizierte und würdige Pflege.
Sie erwarten Respekt vor ihrer Person und
Biographie. Sie sind dankbar
für Zuwendung und menschliche Wärme.
Schülerinnen und Schüler sowie
die Lehrkräfte in den Altenpflegeschulen
und die Pflegekräfte in den
Institutionen erwarten von uns hohe Qualitätsstandards
für Ausbildung
und Arbeit in der Pflege.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des
Bündnisses 90/Die Grünen)
Wenn wir dies Schritt für Schritt verwirklichen,
dann kann Altenpflege
ein schöner und anspruchsvoller Beruf
sein, in dem Frauen und Männer
kompetent und menschlich den letzten Lebensabschnitt
von Menschen
begleiten, die diese Hilfe brauchen.
Danke für ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall
bei der SPD und dem Bündnis 90/Die Grünen sowie
bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)
DTB - 14. Wahlperiode - 59. Sitzung - 1.10.99 - S.5282-5284