Rede vor dem Deutschen Bundestag zum Thema
    "bundeseinheitliche Altenpflegeausbildung" vom 1.10.99

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste aus dem Pflege-
bereich und aus anderen Bereichen! "Altenpflege, ein Beruf mit Zukunft", so
werben viele Altenpflegeschulen für eine Ausbildung in einem sehr schönen
und sehr anspruchsvollen Beruf. Positiv sind die Ziele der Ausbildung und der
Arbeit in der Altenpflege. Ich zitiere den Deutschen Berufsverband für
Altenpflege zu dem Berufsbild Altenpfleger/Altenpflegerin:

      "Ziel [...] ist es, für die Würde, die Rechte und das Wohlbefinden
      alter Menschen einzustehen. Planung und Gestaltung aller Dienste
      sollen sich leiten lassen von folgenden Gedanken: Unterstützung
      geben bei der Gestaltung des persönlichen Lebensraumes alter
      Menschen, ihre Kompetenzen schützen und fördern; sich an ihren
      individuellen Lebensgeschichten orientieren, ihnen einen
      anerkannten Platz in der Gesellschaft sichern helfen."

                     (Beifall bei der SPD)

Anspruchsvoll sind die Aufgaben in der Altenpflege, und sie werden immer
anspruchsvoller. Die Unterstützung bei der lehrgestaltung umfaßt nicht nur
die Betreuung und Beratung, Ermutigung und Begleitung alter Menschen,
sondern auch die Mitwirkung bei Prävention und Rehabilitation, Pflege-
planung und pflegerische Versorgung, Reflexion der eigenen beruflichen
Arbeit - gerade angesichts der Belastungen, die in diesem Beruf zu be-
wältigen sind - , Anleitungsaufgaben und Zusammenarbeit im multiprofes-
sionellen Team.

Trotz guter Ziele und anspruchsvoller Aufgaben - wir haben es gehört -
ist die Verweildauer im Beruf gering: Ausbildung, besonders die Diskrepanz
zwischen Theorie und Praxis, Arbeitsbedingungen, physische und psychische
Belastungen und die mangelnde Aufstiegschancen sind häufig genannte Gründe
für Unzufriedenheit und Flucht aus dem Beruf.

Die Bevölkerungsentwicklung in unserem Land ist bekannt. Ausführlich haben
wir die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt, auf die sozialen Sicherungs-
systeme und auf die sozialen Dienste in der Enquete-Kommission
"Demographischer Wandel" diskutiert. Der Bedarf an qualifizierten
Pflegeleistungen  wird - wir haben es heute mehrfach gehört - steigen.

Wir leisten uns 17 Ausbildungsregelungen in 16 Bundesländern, und das in
einem Europa, in dem immer mehr Mobilität und Zusammenarbeit gefordert
ist. Das müssen wir ändern; wir sind auf dem Weg dazu.

        (Beifall bei der SPD und dem Bündnis 90/Die Grünen)

Dieser Weg ist heute aufgezeigt worden; ich will die Vorgeschichte jetzt gar
nicht wiederholen. Er war gekennzeichnet von Hindernissen und Hürden. Ich
hoffe im Interesse der Pflege bedürftigen und der Pflegenden, daß dieser
Weg jetzt zu einem gute Ende führt und daß das Ziel in nicht allzu ferner
Zeit erreicht wird,

Der vorliegende Gesetzentwurf der Bundesregierung hat Vorläufer aus
Bundestag und Bundesrat. Eine Anhörung zum damaligen Gesetzentwurf im
November 1996 hat dringenden Handlungsbedarf bestätigt. Jetzt haben wir
die Chance, nachdem Kabinett und Bundesrat den aktuellen Gesetzentwurf
begutachtet und Stellung genommen haben, diesen Entwurf im Ausschuß und
mit den Verbänden ausführlich zu diskutieren und, wenn nötig, Änderungs-
vorschläge einzubringen. Die SPD-Fraktion wird eine Anhörung zu diesem
Gesetzentwurf beantragen.

"Qualität erfordert Qualifikation", fordert der Bundesausschuß der
Lehrerinnen und Lehrer für Pflegeberufe. Ich freue mich über das
Engagement der Kolleginnen und Kollegen für hohe Standards in der Aus-
bildung für die Pflegeberufe.

          (Beifall bei der SPD und dem Bündnis 90/Die Grünen)

Ebenso freue ich mich über die ausführlichen Stellungnahmen zum Beispiel
meiner Gewerkschaft, der ÖTV, oder der Arbeiterwohlfahrt und vieler
anderer Verbände und Organisationen.

Ich will nur einige Aspekte aus den genannten Schreiben und Stellung-
nahmen anführen. Der erste Punkt: Eine einheitliche dreijährige Aus-
bildungsdauer mit bundeseinheitlichen Standards wird allgemein begrüßt.
Ebenso wird eine Ausbildungsvergütung, die sich an der Vergütung in der
Krankenpflege orientiert, von vielen als Fortschritt betrachtet. Aller-
dings muß die Finanzierung dieser Ausbildungsvergütung möglichst
gerecht und einfach sein, und ihre Rechtsmäßigkeit muß abgeklärt sein.
Auch dazu ist schon einiges ausgeführt worden.

Der zweite Punkt: Eine Altenpflegehelferausbildung ist nach wie vor
sehr umstritten. Aus altenpolitischer wie aus bildungs- und frauen-
politischer Sicht ist eine Helferausbildung abzulehnen. Das Argument, ein
Jahr Ausbildung ist besser als keine Ausbildung, ist zwar nicht von der
Hand zu weisen, aber es entkräftet nicht die Tatsache, daß die Chancen auf
dem Arbeitsmarkt schlecht sind als die von Fachkräften, daß die geringere
Qualifikation eine geringere Bezahlung zur Folge hat und daß oft ohne
rechtliche Grundlagen Tätigkeiten ausgeübt werden müssen für die keine
Qualifikation erworben wurde. Das, denke ich, ist der entscheidende Punkt.

        (Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten des
          Bündnisses 90/Die Grünen)

Der vorliegende Gesetzentwurf der Bundesregierung überläßt die Ent-
scheidung über die Helferausbildung den Ländern. Damit können bundesein-
heitliche Standards für den Beruf Altenpflegehelferin/Altenpflegehelfer
kaum erreicht werden. Ich denke aber, es wäre sinnvoll, diese Ausbildung
auf eine gewisse Zeit zu begrenzen und dann auf wirklich qualifizierte
Fachkräfte zu setzen.

Der dritte Punkt: Sehr großen Diskussionsbedarf haben die im Gesetz-
entwurf vorgesehenen Verkürzungsmöglichkeiten ausgelöst. Besonders die
Tatsache, daß die Führung eines Familienhaushaltes unter bestimmten
Bedingungen zu einer Verkürzung der Ausbildung führen sollte, hat
Empörung bei den Fachverbänden hervorgerufen, da die Qualität der Aus-
bildung dadurch in Frage gestellt wird. Der Bundesrat hat diese Möglich-
keit der Verkürzung gestrichen, und die Bundesregierung hat der Streich-
ung zugestimmt. Insofern ist das vom Tisch.

Über die Verkürzung bei Umschulungsmaßnahmen ist schon gesprochen
worden. Ich glaube, darauf brauche nicht noch einmal einzugehen. Ich denke,
auch hier wäre es sinnvoll, das auf einen bestimmten Zeitraum, zum Beispiel
auf fünf Jahre, zu begrenzen.

Der vierte Punkt: Bei der Fehlzeitenregelung, der Dauer der Probezeit und
der Regelung des Ausbildungsverhältnisses sind im Gesetzentwurf zum Teil
ungünstigere Rahmenbedingungen als im Berufsbildungs- und im Kranken-
pflegegesetz enthalten. Dies sollte im Interesse der Schülerinnen und
Schüler - diese sind meiner Erfahrung nach zwischen 18 und 50 Jahre alt,
es sind also Erwachsene - nochmals überprüft werden. Ich denke, hier kann
man noch bessere Regelungen finden. In der Anhörung werden wir sicher
darauf eingehen.

Der fünfte Punkt: Bei der Finanzierung der Ausbildung sind die Kosten für
die Ausbildungstätten mit Betriebs- und Verwaltungsaufwand wie bisher von
den Ländern aufzubringen. Über die Finanzierung der Ausbildungsver-
gütungen ist bereits gesprochen worden. Die Bundesregierung hat einen
anderen Vorschlag gemacht als der Bundesrat. Ich denke, es sollte eine
möglichst eifache und gerechte Finanzierung gefunden werden. Das Umlage-
verfahren - das wissen wir alle - ist eigentlich die gerechteste Lösung, und
zwar deswegen, weil es alle Institutionen einbezieht und mehr Ausbildungs-
plätze schafft, indem es die Betriebe, die nicht ausbilden, zur Finanzierung
heranzieht und damit Anreize zur Ausbildung schafft.

Der sechste Punkt: In § 29 des vorliegenden Gesetzes wird ausdrücklich
betont, daß das Berufsbildungsgesetz für die Berufe in der Altenpflege und
in der Altenpflegehilfe keine Anwendung findet. Dem Vorschlag des Bundes-
rates, die in Hamburg durchgeführte Regelung der Ausbildung nach dem
BBiG bis zum 31. Juli 2006 zu belassen, hat die Bundesregierung zugestimmt.

Ich möchte für die SPD-Fraktion und die Mitglieder im Ausschuß für
Familie, Senioren, Frauen und Jugend sagen, daß wir bei allen Beratungen
betont haben, daß die Standards des Berufsbildungsgesetztes auch für die
Pflegeberufe Maßstab sein müssen. Das gilt insbesondere für den Status von
Auszubildenden, für die Ausbildungs- und Rahmenpläne und für die
Qualifikation der Lehr- und Fachkräfte für die theoretische und praktische
Ausbildung.

     (Beifall bei der SPD und dem Bündnis 90/Die Grünen sowie
     bei Abgeordneten der F.D.P.)

Qualität erfordert Qualifikation, dieser Satz gilt für die Pflegekräfte
ebenso wie für die Lehrkräfte und die Ausbilderinnen und Ausbilder.

Langfristig ist natürlich die integrierte Ausbildung sinnvoll. Ich kürze
diesen Punkt jetzt einfach ab, weil er schon mehrfach erwähnt worden ist.
Ich freue mich, daß auch die F.D.P.-Fraktion diese Art der Ausbildung
für sinnvoll hält. Ich glaube glaube wirklich, daß wir gemeinsam eine gute
Lösung erzielen können.

"Älter werden ist die einzige Chance, länger zu leben." Dies wurde mir im
KDA, Kuratorium Deutsche Altershilfe, einmal gesagt. Nutzen wir diese
Chance und bereiten wir uns und andere auf das Älterwerden vor!

Die Pflegebedürftigen erwarten von uns qualifizierte und würdige Pflege.
Sie erwarten Respekt vor ihrer Person und Biographie. Sie sind dankbar
für Zuwendung und menschliche Wärme. Schülerinnen und Schüler sowie
die Lehrkräfte in den Altenpflegeschulen und die Pflegekräfte in den
Institutionen erwarten von uns hohe Qualitätsstandards für Ausbildung
und Arbeit in der Pflege.

           (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des
            Bündnisses 90/Die Grünen)

Wenn wir dies Schritt für Schritt verwirklichen, dann kann Altenpflege
ein schöner und anspruchsvoller Beruf sein, in dem Frauen und Männer
kompetent und menschlich den letzten Lebensabschnitt von Menschen
begleiten, die diese Hilfe brauchen.

Danke für ihre Aufmerksamkeit.

       (Beifall bei der SPD und dem Bündnis 90/Die Grünen sowie
        bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)
 

DTB - 14. Wahlperiode - 59. Sitzung - 1.10.99 - S.5282-5284



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