Grußwort zum Antikriegstag am 1. September 1999
               "Friedensarbeit intensivieren"

Liebe Bürgerinnen und Bürger, die Sie für den Frieden bei uns und in anderen
Bereichen der Welt engagiert sind!

Mit dem Krieg im Kosovo vor wenigen Monaten hat die Diskussion über Krieg,
über Waffenproduktion und Rüstungsexporte, über den Einsatz von
Menschen, von technischen und finanziellen Hilfen eine neue Dimension
erhalten: unser Land ist anders beteiligt als früher, wir sind mitten im
Geschehen - direkt beteiligt, mit Soldaten, Waffen, Militärtechnik, Logistik
und Entscheidungen. Knapp 60 Jahre nach Beginn des zweiten Weltkriegs hat
der Bundestag mit großer Mehrheit diesen Einsatz beschlossen; eine Minder-
heit hat diesen Beschluß nicht mitgetragen.

Viele haben die Entwicklung im ehemaligen Jugoslawien gesehen und die
Eskalation befürchtet. Niemand von uns hat diesen Krieg gewollt und niemand
kann das akzeptieren, was dieser Krieg hinterlassen hat: Tote, Zerstörung,
unermessliches Leid - wie in jedem Krieg. Der Krieg und auch das Ende des
Krieges haben zu keiner Lösung geführt. Der Hass zwischen verschiedenen
Gruppen in der Bevölkerung ist nicht geringer geworden, im Gegenteil; die
Chancen für ein friedliches Zusammenleben scheinen weit entfernt.

Eine internationale Verantwortung unseres Landes und anderer Länder wird
von uns allen befürwortet. Aber der Krieg im Kosovo hat gezeigt: es gibt ein
militärisches Instrumentarium, das mit viel Geld und technischer Intelligenz
immer neue, hoch entwickelte Geräte zur Zerstörung von Mensch und Umwelt
hervorbringt; aber friedliche Instrumente, die helfen können, einen Krieg zu
verhindern, sind kaum entwickelt.

Unser Ziel ist, daß Menschen friedlich zusammenleben. Deshalb müssen wir
weit mehr Anstrengungen unternehmen, um Instrumente des Friedens zu
entwickeln, die zu friedlichen Zusammenleben und zu Zusammenarbeit führen
können. Ich denke dabei vor allem

- an die Friedens- und Konfliktforschung: sie muß viel mehr Unterstützung
erhalten, sowohl finanzielle Mittel als auch öffentliches Ansehen;

- an die vielfältigen Friedensdienste der unterschiedlichsten Organisationen,
die Modelle des Zusammenlebens und der Konfliktbewältigung erproben;

- an das Zusammenleben mit ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern,
besonders auch mit Bürgerkriegsflüchtlingen und Asylsuchenden: hier können
wir selbst täglich lernen, mit Menschen aus anderen Kulturen und Religionen
zusammenzuarbeiten, und können versuchen, Menschen aus verfeindeten
Bevölkerungsgruppen - wie zum Beispiel Türken und Kurden, Serben und
Kroaten oder Kosovoalbaner - Räume für friedliches Zusammenleben bei uns
zu geben.

Als Sozialdemokratin und Bundestagsabgeordnete will ich meinen Beitrag
dazu leisten.
 

Christa Lörcher, MdB



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